Navid Nuur

Foto: VG-Bildkunst, Bonn 2022

Navid Nuur

 

′  ′ , 2015
Blattgold,  Zeit / Gold leaf, time, 15 x 131 cm

 

Untitled, 1988–2015
Fels, Magnet, Eisenstaub / Rock, magnet, iron filings, 90 x 198 x 158 cm

 

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Navid Nuur (* 1976, Teheran, lebt in Den Haag) ist ein Materialforscher. Die ganze Welt, einschließlich Fauna, Flora und Menschen, besteht aus Mineralien. Ihr Zustand ist temporär und verändert sich mit der Bewegung durch Zeit und Raum. Diese Zwischenzustände sind es, die Nuur in seinem künstlerischen Werk interessieren. Seine sogenannten „Interimodule“, die oft auf abstrakte, nicht fassbare Konzepte wie Licht, Energie, Ruhe oder Ablenkung zurückgreifen, setzen auf die Vorstellungskraft des Publikums und seine Offenheit, die Welt aus neuen Perspektiven zu sehen.

In der Ausstellung „Terra Incognita – Fragen an die Erde“ werden zwei Arbeiten von Navid Nuur gezeigt. „Untitled“ (1988–2015) wirkt auf den ersten Blick wie ein ganz normaler, großer Felsen. Erst bei näherem Hinsehen entdeckt man die geheimnisvolle, kristallartige Blume, die auf seiner Oberfläche wächst. „Meine Erfahrung“, erklärt der Felsen in einem Interview mit dem Künstler, „resultiert in erster Linie aus der Interaktion unterschiedlicher Kräfte, sprich immaterielle Faktoren.“ Die Blume aus Eisenstaub auf seiner Oberfläche ist das wundervolle Produkt ebensolcher unsichtbarer Kräfte. Zusammengehalten von einem Magneten, den Nuur ins Innere des Steins eingebettet hat, versinnbildlicht sie eine sich ständig verändernde Gegenwart. Nuur selbst spricht von einer „reinen Präsenz“, die weder Anfang noch Ende hat. Durch seine sensiblen, poetischen Setzungen führt der Künstler uns die Endlichkeit materieller Zustände und damit nicht zuletzt unserer eigenen Existenz vor Augen.

Auch ′  ′ (2015), die zweite Arbeit von Navid Nuur in der Ausstellung, besteht aus einem Mineral. Der intarsienartige Fries aus Blattgold befindet sich auf der Rückwand direkt über der Eingangstür im Innern der Lantz’schen Kapelle. Er zeigt fünf verschiedene Formationen einer runden Fläche. Themen wie Licht, der Verlauf von Zeit in planetarischen Zyklen aber auch kosmische Ordnungen werden hier angesprochen. Indem er die Arbeit in der 1879 eingeweihten Lantz’schen Kapelle platziert, mitten in einem prächtigen Ensemble von Mosaiken und Glasmalereien, schlägt Nuur nicht zuletzt den Bogen zur christlichen Mythologie. Die goldenen Kreisformen können hier deutlicher als anderswo als Zitate des Heiligenscheins gelesen werden. Eine Verbindung, die Nuur sehr bewusst sucht, schlägt sie doch den Bogen von der kosmischen Ordnung zum spirituellen Glauben.

 

 

 

Navid Nuur (born in Tehran in 1976, lives and works in The Hague) is a researcher of materials. The whole world, including fauna, flora, and humans, consists of minerals, whose state is temporary and changes as they move through time and space. Nuur is especially interested in these intermediate states. His “interimodules”, which often draw on abstract, intangible concepts such as light, energy, calmness, or distraction, rely on the viewers’ imagination and their openness to see the world from new angles.

The exhibition “Terra Incognita – Questions for the Earth” features two works by Navid Nuur. At first glance, “Untitled” (1988–2015) looks like a normal boulder. Only on closer inspection do we discover the otherworldly, crystal-like flower growing on its surface. “My experience,” the rock explains in an interview with the artist, “is partly the result of an interaction of forces: immaterial factors in other words.” The flower made up of iron dust on the rock is a product of such invisible forces. Held together by a magnet embedded inside the rock by the artist, it symbolizes an ever-changing present. Nuur himself speaks of a “pure presence” with no beginning and no end. His sensitive, poetic settings underline the finiteness of material conditions, including our own existence.

′  ′ (2015), Navid Nuur’s second work in the exhibition, also consists of a mineral. The inlay-like frieze of gold leaf is located on the rear wall directly above the entrance door of Lantz’sche chapel, which was completed in 1879. It shows five different formations of a sphere. Themes such as light, the passage of time in planetary cycles, and also cosmic orders are addressed. By placing the work in the midst of the magnificent array of mosaics and stained glass inside Lantz’sche Chapel, Nuur draws a link to Christian mythology. The golden circular forms can be interpreted here more clearly than elsewhere as references to the halo. This is a connection very deliberately sought by Nuur, bridging as it does the gap between the cosmic order and spiritual faith.