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Vom KRIEGER- zum KRIEGS-Denkmal

Foto: Christian Ahlborn, scape Landschaftsarchitekten

Vom KRIEGER- zum KRIEGS-Denkmal | Christian Ahlborn, scape Landschaftsarchitekten

 

Prolog

Obwohl man in Deutschland zurecht von einer „Kultur der Gedenkkultur“ sprechen kann, herrscht eine ge­wisse Hilf- und Sprachlosigkeit sobald es um die militärischen Aspekte deutscher Geschichte geht. Dies zeigt sich auch im Umgang mit dem Reeser Platz, der -trotz seiner durch und durch faschistoiden Architektur, revisionisti­schen „Ehre & Freiheit“ Diktion und der (damals wie heute) gruselig prophetischen Referenz auf die germanische Sagenwelt- bis vor kurzem als voll funktionales Kriegerdenkmal diente.

Gesamtkonzept

Wir wollen das KRIEGER-Denkmal als Beitrag zu einer zeitgemäßen und kritischen Gedenkkul­tur, zu einem KRIEGS-Denkmal transformieren und die toxischen Aspekte des Denkmals dabei nicht verdecken, sondern in einem neuen Zusammenhang nutzen. Die Anlage soll ein Ort der Auseinandersetzung mit Krieg als zivi­lisatorische Katastrophe und gesellschaftlichen Totalversagens werden. Es entsteht ein Spannungs­feld aus dem Spagat, einerseits ein schonungsloses Kriegs-Bild mit all seinen Konsequenzen darzustellen, ande­rerseits das Gedenken an die Soldaten des 39’er Regiments nicht auszugrenzen, sondern sie als Zeitzeugen, als Täter und Opfer ernst zu nehmen. Das Konzept für die Umgestaltung des 39‘er Denkmals bezieht sich auf drei Ebenen:

A. Das historische Ensemble mit seinem faschistoiden und militaristischen Narrativ.

B. Die Ebene visueller Intervention. Durch das Hinzufügen ausgeblendeter Perspektiven (z.B. Folgen für die Zi­vilbevölkerung, Kriegsverbrechen, Leid und Zerstörung) entsteht eine neues gedenkpolitisches/kulturelles Narrativ, in das die bisherige Anlage als Beleg historischer/kriegerischer Gedenkkultur integriert wird und wieder einen Sinn ergibt. Ein übergeordnetes Freiraumkonzept verbindet den Denkmalbereich neu mit der Gesamtanlage und dem Stadtraum und verbessert sowohl die Aufenthaltsqualität, als auch die Sicht- und Lesbarkeit.

C. Die virtuelle Informationsebene. Um einen musealen Charakter zu vermeiden und ein direktes Erfahren des Ortes zu ermöglichen, wird bis auf einige Informationen zur Anlage und dem 39’er Regiment weitgehend auf Infor­mationsschilder verzichtet. Der historische und örtliche Kontext ist dennoch ausgesprochen wichtig und wird in eine virtuelle „Infoebene“ verlagert. Sie besteht aus einer ausführlichen Webseite und einer Augmented Reality App im Rahmen eines didaktischen Konzepts, das für den Reeser Platz entwickelt wird.

Visuelle Ebene

Der Reeser Platz erscheint heute als zusammenhangloser, diffuser Ort im Stadtbild. Das Konzept verbindet die Denkmalwand und die vorgefundenen Elemente mittels neu hinzugefügter Interventionen zu einem zusammenhängenden Mahn- und Gedenkort. Durch die Zonierung in “Denkmal-Platz“ und “Denkmal-Garten“, wird eine Umfunktionierung des Gesamtensembles vorgenommen, das in seiner Einheit auf die Kriegsvergangenheit hinweist. Auf dem Platz werden vier mit großformatigen Bildmotiven bedruckte, partiell gefärbte Glaswände plat­ziert, die im Zusammenspiel mit den skulpturalen Sitzobjekten die Zentralachse der historischen Anlage und deren Funktion als Aufmarschplatz konterkarieren. Die Glaswände orientieren sich in ihrer Höhe und Breite an den Pro­portionen der Denkmalwand und führen von verschiedenen Standpunkten aus zu einer Überlagerung der vorhan­denen, militaristischen Wandgestaltung mit ernüchternden bzw. verstörenden Bildmotiven der Kriegswirklichkeit, ohne den aus denkmalpflegerischer Sicht gewünschten Blick auf die Denkmalwand zu verstellen.
Die denkmalge­schützte, gerasterte Oberfläche des Vorplatzes wird in Form von Plattenbändern aus Beton wie ein Teppich unter dem Denkmal zum „Denkmal-Garten“ hindurchgeführt. Hier werden ebenfalls eine Glaswand und ein Sitzobjekt plaziert. Der zentrale Raum im Denkmalkorpus wird durch Entfernung von Rückwand und Gittertoren zu einer Pas­sage, die den Denkmalbereich zur dahinterliegenden Wiesenfläche öffnet. An den seitlichen Wänden befinden sich Glaswände mit historischem Material und Informationen zur Anlage und dem 39’er Regiment. Zusätzlich werden Denkmal-Platz und Denkmal-Garten mittels einer barrierefreien Durchwegung zu beiden Seiten des Denkmals verbunden. Der heutige Kinderspielplatz wird in die Anlage integriert und leicht nach Norden verschoben. Die zen­trale Wiese bleibt frei und dient weiterhin als multifunktionale Spielfläche und Treffpunkt für die Nachbarschaft. Über sie hinweg, öffnen sich durch die Auslichtung des Gehölzbestandes neue Blickbezüge auf die Gedenkstätte, so dass die Wahrnehmbarkeit der Anlage aus Richtung Nordosten/Kaiserswerther Straße verbessert wird.

Die Glaswände

Die Glaswände sind inhaltlich und gestalterisch der zentrale Aspekt der Neugestaltung. Die transparenten Bildebenen überblenden mit der Darstellung der Kriegsrealitäten das architektonische Narrativ der historischen Anlage. In der Gesamtkomposition entwickelt sich bei Annäherung an das Kriegerdenkmal eine Dramaturgie. Themenblöcke sind: die naive Begeisterung bei Kriegsbeginn, die Realität industrieller Kriegsfüh­rung, die Konsequenzen für die Zivilbevölkerung, der ideologisch geführte Vernichtungskrieg im 2. Weltkrieg und zum Spielplatz hin ein Bild zur Kindheit im 1.Weltkrieg. Die endgültige Anzahl, genaue Platzierung und Formate er­geben sich aus den Resultaten der Bildrecherche; evtl. kommt noch eine weitere Wand zum Themenbereich Ver­wüstung und Kriegsverbrechen im WK 1 dazu. Die Wände bestehen aus 8 x12 mm TVG vandalismus- und glasbruchresi­stentem Sicherheitsschichtglas mit Anmutung eines Glasblocks, wobei sich das Bild und die Farbflä­che auf verschiedenen Ebenen befinden. Die Glaselemente werden beidseitig mit Opalfilmfolie beschich­tet, die neben einem Schutz gegen Verkratzen und Grafittis auch die Resistenz gegen Gewalt­anwendung wie Zerkratzen, Steinwürfe etc. signifikant erhöht. Die Bildwände sind in 6 Segmente à 1,5 Meter aufgeteilt. Da­durch wird durch unbestückte Segmente eine dramaturgische Kom­position von Bildern möglich, darüber hinaus er­geben sich gewichtsbedingte Vorteile bei Produktion und Montage. Im Schadensfall können einzelne Segmente ersetzt werden.

Sitzobjekte

Vier Sitzobjekte ergänzen das Denkmalensemble. Auf dem Vorplatz werden drei Bänke mit jeweils 12 m Länge und 1,50 m Breite so verortet, dass sie die Achsialität des Aufmaschplatzes brechen ohne die Sichtbezü­ge auf die Denkmalwand zu verstellen. Eine weitere Bank wird nördlich des Denkmals aufgestellt und bietet weitere Ruhemöglichkeiten im Denkmal-Garten. Die Bänke sind aus Betonwerkstein in hochwertiger, vandalismussiche­rer Sichtbetonoptik gefertigt. Sie bestehen aus je sechs Einzelelementen mit jeweils 2 m Länge. Ca. 2/3 der Oberflä­chen werden in großformatigem Fotobeton mit Kriegs- und Zerstörungsmotiven ausgeführt. Die Fotomotive werden bei Guss der Werkstücke mittels eines Fotorasterreliefs, das in die Oberfläche geprägt wird, aufgebracht. Als Bild­motive bieten sich Strukturen wie Luftauf­nahmen zerstörter Ortschaften, Schützengräben oder Panoramabilder an. Durch die Sitzobjekte bietet der Platz neue Verweil- und Aufenthaltsqualitäten. Statt einer eher flüchtigen musealen Wahrnehmung entstehen Möglichkeiten des Innehaltens und der ruhigen Betrachtung. Auch die zur Kaiserswerther Straße zeigende Fassade des Trafohauses wird aus Fotobeton mit einem historischen Bildmotiv gestaltet, so dass eine inhaltliche und visuelle Verbindung mit dem Denkmalbereich hergestellt wird.

Bildmaterial

Die letztendlich genutzten Bilddokumente werden Ergebnis einer intensiven Bildrecherche in Archi­ven & Sammlun­gen sein. Ziel ist es, so weit wie möglich Material mit Bezug zu Düsseldorf (z.B. zur Situation der Zivilbevölkerung) und das 39’er Infanterieregiment bzw. ihre Ein­sätze zu gewinnen. Der Fokus soll dabei auf den Menschen in der Kriegssi­tuation liegen. Um mögliche Kosten für Bildrechte zu minimieren, soll auf Bildmaterial aus dem Stadtarchiv und all­gemein zugänglichen Quellen zurückgegriffen werden.

Info-Ebene

Über der visuellen Ebene liegt eine weitere virtuelle Informationsebene. Sie besteht aus einer ausführ­lichen Website, die detaillierte Informationen zum Ort und dem historischen Kontext gibt. Darüber hinaus wird eine Smartphone App erstellt, mit der über Augmented Reality zusätzliche multimediale Inhalte auf den Ort projiziert werden. Das können Informationen zum verwendeten Bildmaterial, zu architektonischen Details, historische Tonauf­nahmen, Bewegtbilder o.ä. sein. Trigger für die AR Inhalte sind QR Codes auf den Objekten oder auf dem Boden. Die assoziative Wirkung der Gedenkstätten-Elemente wird dadurch vertieft und ergänzt und es ergeben sich zu­sätzliche Möglichkeiten, die Gedenkstätte effektiv für Bildung und Friedenspädagogik zu nutzen. Ein didaktisches und inhaltliches Konzept dafür soll im weiteren Planungsverlauf in Zusammenarbeit mit Historikern und Kommuni­kationsdesignern entwickelt werden.

Pflanzkonzept

Im Zentrum der Gestaltung steht die Blütenfarbe weiß als Friedenssymbol. Rein weiße Blüten­pflanzen kombiniert mit grünen und tiefrot-schwarzen Blattschmuckpflanzen werden zum charak­teristischen Leit­motiv für das Pflanzkonzept der Gedenkstätte. Der gesamte Platz erhält eine Rahmung aus einem niedrigen wei­ßen Blütenband: Auf dem Vorplatz und im Denk­mal-Garten werden die niedrigen Einfassungsmauern von einem differenzierte Staudenband u.a. aus Schleifenblu­me, Christrose, Weißem Sonnenhut und Weißer Katzenminze be­gleitet. Als Hintergrund und Kontrastpflanze dient flächig gepflanztes schwarzes Schlangenbartgras. Im nördlichen Bereich werden die Blütenbänder mit niedrigen weißblühen­de Heckengehölze wie Kleine Deutzie und Schneebee­re durch Ergänzung der vorhandenen Hecken fortgesetzt. Weiße Krokusse bieten im zeiti­gen Frühjahr auf den Wiesenflächen einen attraktiven flächig-weißen Blühaspekt. Der nordöstliche Gehölzbestand, der das Denkmal heute verstellt, wird vorsichtig aufgelichtet; alle sat­zungsgeschützten Bäume bleiben erhalten. Im Bereich des Kinderspielplatzes wird eine Gruppe aus dunkellaubigen Ahornbäumen und weißen Trompetenbäumen ergänzt.

Lichtkonzept

Das Lichtkonzept erhöht die Lesbarkeit des Denkmals auch während der späten Abendstunden. Die Glaswände werden mittels einer LED-Kantenlichteinspeisung ausgeleuchtet. Diese wird unsichtbar in das Funda­ment (Stahlunterkonstruktion) integriert. Die bestehende Denkmalwand erhält eine weiches Licht aus dem Boden heraus. Die Lichtintensitäten sind aufeinander abgestimmt, so dass es zu einer Überblendung und Verschneidung der ergänzenden Kriegs- und Bildmotive auf den Glaswänden mit der ursprünglichen Denkmalwand kommt und der Ort auch bei Dunkelheit vollständig wahrgenommen werden kann. Auch aus der Ferne entfaltet der Reeser Platz durch die Inszenierung der Glaswände eine neue Wahrnehmbarkeit und künstlerische Wirkung.

Denkmalschutz

Die Interventionen des Entwurfs sind minimal: Die Anbindung des Denkmalbereichs an die Ge­samtanlage, die Störung der zentralen Architektur-Achse, der damit verbundene Verlust der Funktion als Auf­marschplatz sowie die Entfernung des Gittertors und der Rückwand der „Gruft“ definieren das Ensemble neu.