Anerkennung: „Öffnung
des Denkmals: Zugang
für die demokratische
Öffentlichkeit”

Foto: Milica Lopičić & Christian Sievers

Milica Lopičić & Christian Sievers, Köln

Öffnen des Denkmals
Wir schlagen vor, das 39er-Denkmal zu öffnen. Der bislang versperrte zentrale Raum wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und durch das Denkmal hindurch ein Weg zwischen den beiden bisher getrennten Teilen des Reeser Parks eröffnet. Im Innenraum des Denkmals findet sich Platz für Informationen und weiterführende Inhalte, so dass aus ihm ein Ort des Lernens und der Erinnerung wird.

Bestandsaufnahme
Prämisse des Konzepts ist, dass die hinter dem Nationalsozialismus stehende Ideologie kein historisch abgeschlossenes Phänomen ist, sondern weiterhin blüht und gedeiht, größtenteils außer Sicht- und Reichweite der Gesellschaft. Diese Problematik konzentriert sich wie in einem Brennglas in dem zentralen Raum des Denkmals. Er ist einsehbar, aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich und erinnert damit an den Chorraum einer Kirche. Die-ses „innere Heiligtum“, mit seiner Altar- oder Opfertisch-ähnlichen Einrichtung und der Andeutung einer unterirdischen Grabkammer bildet den Kern der kriegsverherrlichenden Todeskult-Aussage des Denkmals. Der Grundaufbau des Denkmals deutet auf ein Tor oder auf eine Art Durchgang hin, doch dadurch, dass dasTor geschlossen und mit dem Eisernen Kreuz versiegelt bleibt, wird auch bildsprachlich jede Bewegung verwehrt, die nicht entlang derer der marschierenden Soldaten stattfindet. Der Vorplatz wird vollkommen von der martialischen Ästhetik des Denkmals dominiert und ist auch durch die Wegführung nur eingeschränkt nutzbar. Damit bleibt er ein Aufmarschplatz. Ähnlich verhält es sich mit dem hinteren Teil des Parks, der in mehr als einer Hinsicht im Schatten des Denkmals liegt. Der gesamte öffentliche Raum des Parks ebenso wie der Siedlung ringsum krankt daran, dass symbolisch wie pragmatisch freie Zugangswe-ge abgeschnitten sind.

Öffnen als künstlerisch-kritischer Kommentar zum Denkmal
Es scheint es uns dringend notwendig, der demokratischen Öffentlichkeit Zutritt zu allen Bereichen des Denkmals und des Reeser Parks zu gewähren. Es darf keine Schutzräume mehr geben für die menschenverachtende Ideologie, die hinter der Gestaltung des 39er-Denkmals steht. Dazu schlagen wir vor, den quasi-sakralen inneren Raum des Denkmals zu öffnen und der Öffentlichkeit Zugang zu gewähren. Dort ist nichts Heiliges. Diese Aussage wird noch dadurch verstärkt, dass im Bereich des neu geschaffenen Durchgangs die Stufe entfernt wird, so dass man barrierefrei von einem Bereich des Parks in den anderen gelangen kann. Es wird ein neuer, strukturierter Betonboden eingelassen, der die Intervention in den historischen Baukörper taktil wie visuell erfahrbar macht, und durch seine Unebenheit zum Verlangsamen und Innehalten mahnt.

Ein integrativer Ort des Lernens und der Erinnerung
An den Innenwänden des Durchgangs werden mehrere vielsprachige Informationstafeln angebracht, darunter eine, die die Aussage der aktuell vor dem Denkmal befindlichen Plakette aufnimmt und erweitert. Darüber hinaus möchten wir in Zusammenarbeit mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf Beiträge von Historiker*innen aus denjenigen Ländern bzw. Städten in Auftrag geben, die auf der Vorderseite des Denkmals eingraviert sind. Diese Texte sollen exemplarisch aus den Perspektiven der jeweiligen Länder die militärischen Operationen kontextualisieren. Die Orte liegen heute in den sechs Staaten Polen, Weißrussland, Ukraine, Russland, Belgien und Frankreich, woraus sich die Anzahl der in Auftrag zu gebenden Beiträge ergibt. Ziel ist wiederum eine Öffnung: Die Erweiterung der bisher ausschließlich deutschen geschichtswissenschaftlichen Sichtweise auf eine Vielzahl von internationalen Perspektiven. Neben den Texttafeln wird der Originalzustand des Denkmals im Bild dokumentiert, damit die Intervention klar als solche erkennbar bleibt. Aus Platzgründen können nicht alle sieben Texte in allen sieben Sprachen am Denkmal angebracht werden, so dass wir uns vor Ort auf Englisch, Russisch, Französisch und Deutsch beschränken. Eine eigens eingerichtete Webseite, leicht zugänglich über z.B. einen QR-Code, bietet Platz und Öffentlichkeit für die Gesamtzahl der Texte und ihrer Übersetzungen. Dort findet sich außerdem neben der im Vorfeld erarbeiteten Geschichte des Ortes ein Statement zu den künstlerischen Beweggründen für die Öffnung des Denkmals.

Öffnen als raumplanerische Maßnahme
Durch den neu geschaffenen Durchgang werden die beiden Hälften des Parks miteinander verbunden, so dass er für Anwohner*innen und Stadtgesellschaft besser nutzbar wird. Die zwei Realitäten des Spielplatzes und des Gefallenendenkmals werden nicht mehr voneinander getrennt gehalten, sondern in ihrer Koexistenzerfahrbar. Die Unterscheidung in „vorderen“ und „hinteren“ Teil des Parks wird weniger dominant. Der Erhalt der Bäume ist ein wesentlicher Teil des künstlerischen Konzepts. Die derzeitige “Wildnis” hinter dem Denkmal wird jedoch ein wenig ausgelichtet, so dass sich auch seitlich des Denkmals Blickachsen zwischen den beiden Teilen des Areals eröffnen. Uneinsehbare, “unheimliche” Ecken werden einsehbar.

Begründung der Jury

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Die Verfasser*innen des Entwurfs „Öffnung des Denkmals: Zugang für die demokratische Öffentlichkeit“ konzentrieren sich auf die Öffnung des Zugangs zur Pseudo-Gruft des 39er-Denkmals in Kombination mit einer intensiven Aufklärungs- und Vermittlungsarbeit. Hierzu soll die derzeit durch Eisengitter verschlossene „Gruft“ entfernt werden und zu einem Durchgangstor werden. Durch die Wegnahme der Torgitter wird die Trennung der beiden Hälften des Reeser Platz durch den Bauriegel aufgehoben, es entsteht eine direkte Verbindung beider Platzhälften. Die zwei Realitäten und Atmosphären beider Platzhälften werden erlebbar und die Dominanz des Aufmarschplatzes geschwächt. Die Flächen hinter dem Denkmal werden unter Erhalt des Baumbestands und in einem demokratisch-partizipativen Prozess mit den Anwohner*innen neu gestaltet. Die Rückseite des Denkmals wird deutlich sichtbar und dadurch der attrappenartige Charakter des Denkmals wahrnehmbar. Das mit einer verhältnismäßig minimalen Intervention eine erhebliche freiraumplanerische Qualität entstehen kann, wird von der Jury ausdrücklich gelobt. Positiv wird von der Jury gesehen, dass durch diese Intervention das pseudo-sakrale Innere des Denkmal-Riegels „entzaubert“ wird, und so wie von der Ausloberin in der Auslobung gefordert, über die nationalsozialistische Bildsprache aufklärt. Auch die Anbringung von Informationstafeln in verschiedenen Sprachen und das skizzierte Verfahren, in Zusammenarbeit mit internationalen wie regionalen Historikern*innen, eine dynamische Informationsplattform zu entwickeln, die nicht auf die Wandflächen vor Ort beschränkt ist, sondern über technische Hilfsmittel, wie QR-Codes dennoch am Ort erfahrbar ist, hat die Jury überzeugt. Im Inneren des Durchgangs werden historische Informationen aus der Perspektive der Städte und Orte, die unter Beteiligung der „39er“ überfallen wurden, eingraviert. Es erscheint der Jury überfällig die Sichtweise auf das 39er Denkmal um diese Perspektiven zu erweitern, allerdings wird der vorgeschlagene schmale Durchgang als Standort von der Jury dafür als nicht ausreichend geeignet angesehen. Die Maßnahme steht aus Sicht der Jury auch im Widerspruch zur Erfahrung des attrappenhaften Charakters der Anlage und wertet diese unnötig auf.

Auch eine stärkere künstlerische Überformung und Kontrastierung der Denkmalsarchitektur wäre aus Sicht der Jury wünschenswert gewesen. Das Preisgericht vergibt für diesen Beitrag eine Anerkennung.