2. Preis
„Der neue
Reeser Platz”

Foto: Gabriele Horndasch

Gabriele Horndasch, Düsseldorf

Bierbaum. Aichele.landschaftsarchitekten, Mitarbeit: Konrad Deines, Frank Wiegmann

Auszug aus dem Text der Verfasser*innen:

Die Diskussion, wie mit historischen und ideologischen Altlasten wie dem Reeser Platz adäquat umzugehen ist, beschäftigt die Stadtgesellschaft seit 75 Jahren. Schon 1946 beschloss der Stadtrat, das Denkmal abzureißen. Wegen seiner Funktion als Totenmal hielt die britische Militärregierung den Abriss 1948 jedoch für unnötig. Erst 1953 und gegen den Beschluss des Rates der Stadt Düsseldorf wurden Ortsnamen und Daten der Schlachten des 2. Weltkriegs eingemeißelt. Ein Akt des Vandalismus?

Erst seit 1988 finden keine offiziellen Gedenkfeiern z. B. durch die Bundeswehr mehr statt. Am Reeser Platz haben die rechtsstaatlichen Institutionen der Stadt Düsseldorf nach dem 2. Weltkrieg um Demokratie gekämpft und, jedenfalls wenn man den Abriss des Denkmals als Sieg bezeichnen würde, verloren: Das 39er Denkmal ist heute denkmalgeschützt. Das sogenannte 39er Denkmal wurde in der Diktatur errichtet, ist reaktionär, revisionistisch und war noch nie dem Gedenken einzelner gewidmet; ganz im Gegenteil: es ist ein politisch-weltanschauliches Statement. Das 39er Denkmal steht für den Militarismus des Deutschen Reichs und nach dem 2. Weltkrieg zumindest als Negativum auch für den Kampf der Stadt Düsseldorf um Demokratie. Zwar wurde es mit ca. 8000 ehemaligen Soldaten des 39er Regiments als Mahnmal für ihre gefallenen Kameraden 1939 eingeweiht; die zu dieser Zeit aktiven Rekruten waren jedoch nicht anwesend, weil sie sich in der Eifel auf den Überfall auf Polen vorbereiteten.

Können wir es uns also leisten zu hoffen, dass der historische Abstand das steingewordene Narrativ daran hindert, weitere 75 Jahre zu wirken? Meiner Überzeugung nach ist es unverzichtbar, das Monument mit den darin eingeschriebenen nationalistischen, militaristischen und revanchistischen Ideen zuzuschütten und diese Ideen damit gewissermaßen abzuschirmen. Dabei geht es nicht darum, historische Zeugnisse des NS-Regimes zu löschen oder zu verstecken, sondern darum, Menschen vor der gefährlichen Strahlung zu schützen, ähnlich wie man es mit einem havarierten Atomkraftwerk macht. Die historische Struktur bleibt auch nach den Richtlinien des Denkmalschutzes erhalten, der mahnende Aspekt als Denkmal wird gerade durch seine Nicht-Sichtbarkeit gesteigert. Diese Beisetzung hat eine europäische Dimension. Deshalb ist wichtig, dass sie feierlich und in europäischem Rahmen begangen wird.

Ich habe die Oberbürgermeister*innen einiger der Gemeinden, die auf dem Denkmal eingemeißelt sind, und die ich entziffern konnte, angeschrieben und sie für den Fall, dass dieser Entwurf den Wettbewerb gewinnen und realisiert werden sollte, um eine Schaufel Erde ihrer Stadt gebeten. Samuel Hazard, der Oberbürgermeister von Verdun, Frankreich, und Alexander Sergeevich, der Oberbürgermeister von Orel /Oryol, Russland, haben ihre Büros sehr positiv antworten lassen. Der Bürgermeister von Lublin, Polen, Krzysztof Żuk, möchte über das Schicksal des Projektes auf dem Laufenden gehalten werden. Die Zeremonie wird mit dem Schütten der ersten Schaufel Erde durch den Bürgermeister der Stadt Düsseldorf feierlich eröffnet. Die Oberbürgermeister*innen, die der o.g. Einladung folgen, werden mit je einer Schaufel Erde aus ihrer Stadt fortfahren. Nach den nötigen landschaftlichen Baumaßnahmen, der Anhäufung von ca. 4.500m³ Boden, neuen Baumpflanzungen, des Umbaus der Spielflächen und der Gestaltung der neuen Platzflächen wird das Richtfest des Hügels genauso feierlich begangen.

Der knapp 7 m hohe Hügel sitzt auf der Mauer, die den ehemaligen Aufmarschplatz von Park und Kinderspielplatz trennt, ein wenig zum Park hin versetzt und ist mit einer Wiese bepflanzt. Die Erhebung verbindet die beiden Teile des Reeser Platzes, die bisher durch das Denkmal getrennt waren. Man kann den Hügel zu Fuß überqueren und von oben im Schutz der noch weit höheren Baumkronen den Park, den Platz, den Rhein und das andere Ufer erblicken. Die das Denkmal verlängernde Mauer wird an 2 Stellen durchbrochen, um neben dem Hügel zusätzlich ebenerdige barrierefreie Parkwege zu schaffen. Park und Platz, die bisher getrennt waren, werden ein Ensemble.

Dennoch ist das Monument noch da. Wenn man den Platz betritt, steht man darauf. Das Schild aus Edelstahl, das jetzt auf der rechten Seite des 39er Denkmals steht, wird um einige Meter versetzt wieder vor der Mauer, kurz vor dem Durchbruch aufgestellt und um ein 10% größeres ergänzt. Darauf wird erklärt, wie es zu dem NEUEN REESER PLATZ gekommen ist.

Begründung der Jury

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Die zugrunde liegende Methode des Entwurfs, Aufmerksamkeit auf ein Objekt zu lenken, indem das Ob-jekt unsichtbar gemacht wird, bzw. der direkten Sichtbarkeit entzogen wird, hat als Idee Aufsehen und Diskussionen erzeugt.

Die durch eine Umsetzung zu erwartenden Diskussionen in der Öffentlichkeit wurden von der Jury als ein wichtiger Teil der Arbeit verstanden und besonders positiv hervorgehoben. Das nicht mehr sichtbare Denkmal wird durch den vorgeschlagenen Prozess ins Rampenlicht gestellt. Den Akt des Zuschüttens zu einer Zeremonie zu erklären wurde von den Jurymitgliedern ausgesprochen kontrovers diskutiert. Zum einen wurde die Beteiligung von Vertreter*innen aus Orten, die im 2. Weltkrieg vom „39er Regiment“ an-gegriffen und zerstört wurden, beim Zuschütten positiv genannt, zum anderen wurde die geplante Aktion als pathetisches Ritual gewertet. In der Jury herrschte Uneinigkeit darüber, ob es dem Entwurf gelingt, das Denkmal in ein Mahnmal zu verwandeln. Der Hauptdiskussionspunkt war die Tatsache, dass der Erinnerungsort nicht mehr zugänglich und lesbar ist, was ein Antizipieren des Ortes im historischen Sinne unmöglich macht und die Vermittlung der Geschichte des Ortes verkompliziert. Es wurde bemängelt, dass die Arbeit eventuell nur für Menschen nachvollziehbar ist, die den Ort bereits kennen und dass die Arbeit dazu führen könnte, dass die tatsächliche Geschichte negiert, bzw. verdrängt wird. Das Bild des “Gras über eine Sache wachsen lassen” und die Assoziation mit einem (keltischen) Grab wurde mehrfach als Kritikpunkte genannt. Auch die Gefahr, dass das Denkmal irgendwann wieder frei gelegt werden könnte wurde kontrovers besprochen. In dieser Unsicherheit sahen andere Mitglieder der Jury gerade eine besondere Qualität der Arbeit. Die Verteidigung von Frieden und Demokratie ist eine permanente Aufgabe und Herausforderung für uns alle. Die Unsicherheit, die der Entwurf auslößt scheint Mitgliedern der Jury als ein passendes Bild für die momentane politische Lage.

Darüber hinaus wurde besprochen, dass der Entwurf durch die vorgeschlagene Neugestaltung den Platz freundlicher macht und den vorderen und hinteren Teil des Platzes zusammenführen würde und der Platz somit an Lebensqualität gewinnt. Dies wurde von Teilen der Jury als Verharmlosung der geschichtlichen Hintergründe aufgefasst und warf die Frage auf in wieweit dies intendiert ist. In diesem Zusammenhang wurde die von der Künstlerin in ihrem Text erklärte Absicht, die Menschen durch den aufgeschütteten Hügel vor Strahlung zu schützen eingehend diskutiert und für unsachgemäß befunden. Strahlung wird mit einer technischen Katastrophe assoziiert, die sich im 39er Denkmal manifestierende Thematik ist jedoch von politischer Natur.

Insgesamt wurde dem Entwurf eine hohe künstlerische Qualität zugesprochen. Die Umsetzbarkeit wurde jedoch nicht nur durch das Denkmalamt in Frage gestellt. Die Jury hat sich entschlossen dem Entwurf DER NEUE REESER PLATZ den zweiten Preis zuzusprechen.