Abgeschlossenes Projekt

Lantz'scher ­
Skulpturenpark

16.06. – 15.09.2023

Foto: Katja Illner

on damp earths we wander

Am 9. Juni 2024 eröffnet mit The Park as Lover die fünfte Ausgabe des Lantz’scher Skulpturenpark, ein Projekt der Kunstkommission Düsseldorf. In dem von Katharina Klang konzipierten drei Monate andauernden Ausstellungs-, Performance- und Veranstaltungsprogramm begegnet uns der Lantz’sche Park in Lohausen aus der Perspektive seiner nicht-menschlichen Bewohner:innen als gleichwertiges Gegenüber – als Liebende:r. Ein Querschnitt durch die europäische Gartenkunstgeschichte zeigt, wie eng die Entstehung von Parkanlagen mit hegemonialen Ansprüchen verbunden ist. Besonders im Entwurf der Gärten spiegelt sich das Streben nach Repräsentation und dem Zurschaustellen von Handelsbeziehungen wider, welches in unterschiedlichen Gestaltungsprinzipien seinen Ausdruck fand. Entgegen dieser westlichen anthropozentrischen Logik des Importierens und Kultivierens, die Abgrenzungen wie Natur/Kultur, Tier/Mensch, Mann/Frau bedingen, möchte The Park as Lover symbiotische Beziehungen sowie die schöpferischen Fähigkeiten aller Wesen in den Blick nehmen. Was erzählen uns die Bäume? Ist Vogelgesang mehr als eine notwendige Technik? Was können wir von den selbstorganisierenden Kräften der Mikroben lernen? Im Mittelpunkt dieser Befragung steht die Auffassung einer umfassenden Verwandtschaft aller Spezies und die Umkehr von erlernten Subjekt-Objekt-Zuschreibungen.

The Park as Lover bezieht sich auf die Performancereihe The Earth as Lover der US-amerikanischen Performancekünstlerinnen Annie Sprinkle und Beth Stephens. Seit 2008, als gleichgeschlechtliche Ehen in den USA noch nicht legal waren, heirateten sie einander öffentlich und luden die Erde ein, ihre Geliebte zu werden. In Anlehnung an ökofeministische Diskurse, die von Verbindungen zwischen der Beherrschung von Frauen*, marginalisierten Personen und der Natur ausgehen und somit die nicht-menschliche Umwelt in politische Kämpfe einschließen, zielen sie darauf ab, Umweltschutz lustvoll und unterhaltsam zu gestalten. Ein Höhepunkt der Ausstellung wird ein Ecosexual Walking Ritual mit Annie Sprinkle und Beth Stephens am 22. Juni 2024, ab 15 Uhr, in dem sie gemeinsam mit einem diversen Netzwerk aus Aktivist:innen, Theoretiker:innen, Künstler:innen und Performer:innen einen ökosexuellen Spaziergang und ein Hochzeitsritual durchführen. Die fiktive Vermählung verschränkt intersektionalen queer-feministischen Aktivismus mit dem Versuch, nicht-menschliche Entitäten mit unserem Rechtssystem auszustatten.

Die Eröffnung findet am Sonntag, den 9. Juni 2024, ab 14 Uhr statt. Die Ausstellung ist bis zum 15. September 2024 zu sehen.

The Park as Lover ist ein Projekt der Kunstkommission Düsseldorf und wird gefördert durch das Kulturamt Düsseldorf, die Kunststiftung NRW sowie die Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf.

 

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Titel:

on damp earths we wander

Zeit:

16.06. – 15.09.2023

Kuratiert von:

Lynhan Balatbat-Helbock

Booklet:

How time holds me under
a shadow I cannot name, the bush-music and its sweet
bangarang. Do not wake me. Downtown
I’ll roam wild with the improbable goats,
window-cleaners careening through traffic,
ripe urchin bartering his endless hope:
Each day is usable, I want to tell them.
Our hunger is criminal, faces sewn shut.

We are tongue-tied with the songs
of unknown birds, an extinct diction. Fireburn
that shipwreck, its aimless curse. Jah, guide
these words, this life an invisible column, my one
bloodline stretching, red livewire vein, to appear across
these hijacked decades, inventing Paradise.

aus DREAMING IN FORGEIGN von Safiya Sinclair

 

Man sagt, dass auf kleinen Bänken in Parks, auf öffentlichen Plätzen oder in U-Bahn-Stationen bei den Menschen, die Tag und Nacht arbeiten, eine flüchtige Ruhe zu finden ist.

Der Garten, die willkommene Oase als Zufluchtsort für Ruhe, Erholung und Besinnlichkeit, ist im Idealfall für alle Menschen in den Städten zugänglich. Hundebesitzer, Eltern mit ihren frei herumlaufenden Kindern, essende Arbeiter, Verliebte, Körper, die einen Austausch in privaterer Umgebung suchen, und einsame ältere Menschen, sie alle trachten nach bewahrter Natur, der Auszeit zwischen den Gärten und dem städtischen Alltag.

Auch hier sollte der Garten weder auf den Ort des Ankommens beschränkt werden, der aus der Bank besteht, auf der wir schließlich unsere Ruhe finden, noch auf den Rasen oder die geschnittenen Büsche und die Bäume, die wir betrachten. Der Weg durch die Stadt, die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, gefolgt vom Klang der Fußsohlen auf dem Gehweg, dem Kopfsteinpflaster und schließlich den Kieselsteinen, ist Teil des Spaziergangs im Park.

Das Skelett ist jedoch nicht so friedlich, wie es das Fleisch ist. In vielen Schichten unter der Erde und unter dem saftigen Gras sind die Überreste der gewaltsamen Kapitel unserer Geschichte noch lange nicht verschwunden. Kolonialität wurde und wird nicht nur den Menschen aufgezwungen, sondern auch dem Nicht-Menschlichen, den Pflanzen und dem mikrobiellen Leben, und in der Bildung der Binaritäten von „Natur“ und „Kultur“². Selbst in den Boden graviert sie sich ein, in Form von zersetzten Spuren ihrer Vergangenheit und fortwährenden Brutalität, durch Körper und Knochen, zurückgelassen und erhalten, andere, entfernt und repatriiert. Die botanischen Formationen und veränderten Pflanzen entstanden parallel zum Aufbau der Plantagenwirtschaft, die durch den transatlantischen Sklavenhandel und die lange Geschichte der Migration ermöglicht wurde. Die Historikerin Londa Schiebinger deutet darauf hin, dass botanische Gärten als „Versuchslabors für die Landwirtschaft und als Zwischenstationen für die Akklimatisierung von Pflanzen für den Binnen- und Welthandel“³ eingerichtet wurden; sie wurden zu institutionellen Prüfstandorten der „Verbesserung“. Schließlich zieht sich ein grüner Faden durch die Praxis der imperialen Mächte, Menschen in ausgedehnten Gebieten zu enteignen, über die schreckliche Herrschaft während des Zweiten Weltkriegs bis hin zu übermenschlichem pflanzlichen Leben und dessen Umwandlung in gegenwärtige Formen der landwirtschaftlichen Biotechnologie.

Die historischen Komponenten der Entstehung des Parks, die in den dunklen Kapiteln der menschlichen Zeit(en) angesiedelt sind, bilden einen Teil der kritischen Auseinandersetzung. Das Open-Air-Ausstellungs- und Hörprojekt On damp earths we wander; – A journey of ten stories in the sonic garden of Kerima Tariman wird thematisch jedoch nicht auf dieses Thema reduziert.

 

Die Komposition der zehn Geschichten richtet die Verteilung der Kunstwerke, die im und um den Park herum angeordnet sind, aus. Jedes Kapitel steht unter der Symbolik einer Pflanze, eines Tieres oder einer räumlichen Struktur.

cuento I: el roble (die Eiche)
cuento II: la capilla funeraria (die Grabkapelle)
cuento III: puerta de entrada al cielo (Tor zum Himmel)
cuento IV: laminaria (die Braunalgen)
cuento V: la ardilla (der Schmetterling)
cuento: VI: canta de los pajaros (Vogelgesang)
cuento: VII: el abedul (die Birke)
cuento VIII: la hembra (die Kuh)
cuento IX: mycelium (der Pilz)
cuento X: el pulpo (der Oktopus)

Die erste Erzählung, die Eiche, wird einen Raum der Begegnung und des Austauschs bieten, der sowohl für intime Gespräche als auch für öffentliche Veranstaltungen genutzt werden kann. Die Grabkapelle wird Werke zeigen, die zur näheren Betrachtung einladen, und sich mit Themen wie Vertreibung und marginalisierten Gemeinschaften auseinandersetzen. Kapitel drei und vier befassen sich mit der Praxis des Ausruhens sowie mit der Geschichte der Ankunft und den damit verbundenen Archivierungsformaten. Im Zeichen des Schmetterlings werden Formen der Interaktion und Partizipation realisiert. In kleineren Gruppen wollen wir Zeit schaffen, um gehört zu werden, um gesehen zu werden. Spaziergänge sollen Raum für Gespräche und Austausch öffnen. Die sechste Geschichte, der Vogelgesang, ist akustischen Archivarbeiten gewidmet, die sich aus Kriegsüberlebenden und Zeugnissen des Zweiten Weltkriegs ergeben. Der Akt des Zuhörens wird in einer akustischen Verteilungskarte im und um den Park im Vordergrund stehen. Die Birke konzentriert sich auf räumliche und architektonische Formen der Darstellung. Die Arbeiten in diesem Kapitel werden einen architektonischen Schwerpunkt haben und sich auf die Darstellung des „Anderen“ beziehen. Das achte Kapitel, die Kuh, lädt die Besucher*innen ein, Ayò zu spielen und dabei die Bereiche Spiel, Introspektion und Kontemplation zu verbinden. Das neunte Kapitel regt die Betrachter*innen an, sich auf das Zusammenspiel von Fantasie, Wissen und der suggestiven Kraft der skulpturalen Installation einzulassen.

Die letzten beiden Kapitel sind als vielgliedriges Netzwerksystem gedacht. Der Oktopus als faszinierendes Gebilde oder Pilzmyzel unter der Erde. In Zusammenarbeit mit Monai de Paula Antunes & Niko de Paula Lefort entwickeln wir ein standortspezifisches Format von Radio Gardening. Dieses interaktive Klangprojekt ist ein radiophones Ökosystem, das  heterogene Inhalte, Formate und Traditionen des Radiomachens mit der eigenen materiellen Komplexität des Radios vermischt. Die Installation erfolgt in der räumlichen Struktur der nach außen gerichteten Bäume und Sträucher, sozusagen im „Schaufenster“ des Parks, und bietet so der Öffentlichkeit via Rundfunk und Internet Zugang zu einer Radioumgebung mit verschiedenen Ebenen der Interaktivität.

Epilog: „Das Paradies“ nach Kerima Tariman
Das Projekt on damp earths we wander – A journey of ten stories in the sonic garden of Kerima Tariman wird von einer Reihe von öffentlichen Programmen begleitet und schließt mit einer Publikation, die bis Ende diesen Jahres erscheinen wird. Die zehn Kapitel setzen sich aus verschiedenen kollektiven Klangspaziergängen, Lesesitzungen und offenen, forschungsbezogenen Formaten zusammen.Während der öffentlichen Programmreihe können die Teilnehmer*innen an fortlaufenden Netzwerkkonstellationen teilnehmen, die im Laufe des gesamten Projektzeitraums zur Verfügung stehen, auch online angeboten werden und so kontinuierlich weiterentwickelt werden können. Die oben genannten Kapitel und die dazugehörigen Kunstwerke werden in Form von Piktogrammen dargestellt. Design ist von Bedeutung. Es setzt einen Standard, beschreibt Umgebungen, definiert unsere Interaktionen und unser Sein in der Welt. Wir formen und werden geformt durch die Äußerungen von Lebensphilosophien, die sich in unseren Räumen, Objekten und kommunikativen Codes zeigen. Aus diesem Grund spielen die Verwendung von Sprache und Kommunikationsformen eine wichtige Rolle im gesamten Projekt.

Wir laden Wissenschaftler*innen und andere ein, über die Traditionen und Praktiken der Verbreitung von Klängen, über Formen der Heilung in der Freizeit und über gemeinschaftliches Engagement nachzudenken. Auch Künstler*innen und andere Personen sind eingeladen, ihre künstlerischen Arbeiten zum Thema auszustellen und aufzuführen. Diese wissenschaftlichen und künstlerischen Aktivitäten werden durch eine Reihe von öffentlichen Lesungen und mehrere geführte Klangspaziergänge eingeleitet. In enger Zusammenarbeit mit gemeinschaftsbasierten und selbstorganisierten Praktiken der Klangarchivierung werden die Besucher*innen nicht nur eingeladen, in die umfangreiche Produktion hineinzuhören, sondern auch dazu angeregt, sich an diesem Prozess zu beteiligen. Durch Open-Access-Medien und Online-Plattformen soll das Projekt on damp earths e wander – A journey of ten stories in the sonic garden of Kerima Tariman nicht nur ein Ort des kollektiven Zuhörens und Staunens sein, sondern durch partizipatives Engagement der Körper auch Prozesse wie zuhören, verweilen, in gemeinsame Räume eindringen und schließlich eine eigene Art von Paradies erschaffen und erfinden, aktivieren.


1 Kerima Lorena Tariman (1979-2021), poet, academic and activist. † 20th of August in Negros Occidental.

2 Elena Agudio & Marleen Boschen — Soil is an Inscribed Body. On Sovereignty and Agropoetics. – Curatorial Note, in Agropoe-tics Reader (2019)

3 Londa Schiebinger, Plants and Empire (Cambridge: Harvard University Press, 2009): 11.

Die Kurator*innen

LYNHAN BALATBAT-HELBOCK ist Kuratorin und Forscherin bei  SAVVY Contemporary Berlin und Teil des partizipativen Archivprojekts Colonial Neighbours. Sie erhielt ihren MA in Postcolonial Cultures and Global Policy an der Goldsmiths University of London und zog 2013 nach Berlin. In ihrer Arbeit innerhalb der ständigen Sammlung von SAVVY Contemporary sucht sie nach kolonialen Spuren, die sich in unserer Gegenwart manifestieren. Das kollaborative Archiv widmet sich der Auseinandersetzung mit verschwiegenen Geschichten und der Dekanonisierung des westlichen Blicks durch Objekte und die Geschichten hinter ihnen. In enger Zusammenarbeit mit Künstlern, Initiativen und Aktivisten wird das Archiv durch hybride Formen der Praxis aktiviert. Sie assistierte beim Management der documenta14 Radiosendung – Every Time a Ear di Soun, SAVVY Funk in Berlin (Juni – Juli 2017) und unterstützte die Künstlerin Bouchra Khalili bei mehreren Projekten und Ausstellungen (Mai 2015 – Mai 2016 / Juni 2021 – Mai 2022). Sie arbeitete an einem einjährigen Forschungsprojekt über Julius Eastman in einer Zusammenarbeit zwischen SAVVY Contemporary und dem Festival Maerzmusik (Berliner Festspiele, März) und ko-kuratierte das Ausstellungsprogramm Here history began. Tracing the re/verberation of Halim El-Dabh (2017-2018/2020-2021). 2018 produzierte sie die Auftragsarbeit Agnieszka Polska ś für die Ausstellung zum Preis der Deutschen Nationalgalerie im Hamburger Bahnhof in Berlin (September 2018-März 2019). Zuletzt kuratierte sie das einjährige Projekt Monumental Shadows – Rethinking Heritage, ein partizipatives Projekt im öffentlichen Raum, das koloniale Figuren von ihrem Sockel stößt und die Schatten von Vergangenheit und Gegenwart verschiebt. Dieses Jahr kuratiert sie Wer Wir Sind in der Bundeskunsthalle in Bonn.

LIA MILANESIO ist Masterabsolventin in Kommunikation für kulturelles Erbe an der La Sapienza in Rom, Italien. Im Jahr 2019 schloss sie ihr Doppeldiplom an der Universität Ca’ Foscari in Venedig, Italien, und der Humboldt-Universität zu Berlin, Deutschland, mit einer Masterarbeit ab, in der sie die Auswirkungen des Kolonialismus in der Zentralafrikanischen Republik anhand der fünf Tierromane von Rene Maran analysierte. Im Jahr 2020 veröffentlichte sie in der postkolonialen Online-Zeitschrift “Il Tolomeo” den Artikel “Environmental criticism in René Maran’s animal novels”, in dem sie die ökologische Brutalität des Kolonialismus analysierte. Von 2021 bis Anfang 2023 arbeitet sie mit SAVVY Contemporary in den Bereichen Kommunikation, Management und virtuelles Design zusammen.

Bilge Emir, die hauptsächlich in den Bereichen Illustration und Video arbeitet, ist Absolventin der Visuellen Kommunikation, Weißensee KHB. Ihre Praxis ist geprägt von der Kombination ihrer Erfahrungen mit zeit- und raumbezogenen Medien, um vielschichtige Narrative des visuellen Geschichtenerzählens zu entwickeln. Neben der Veröffentlichung ihrer Illustrationen und Comics in verschiedenen internationalen Anthologien und Magazinen wurden ihre Arbeiten in verschiedenen Gruppenausstellungen gezeigt, darunter “The Good Cause: Architecture of Peace and Vocabulary of Hospitality” im Studio-X İstabul (2015), “Here and Elsewhere: The Contemporary Disobedient Art Practices from Turkey” im Museum of Contemporary Arts Vojvodina, Serbien (2019). Sie war Mitglied der Projektgruppe des Forschungsprojekts und der Ausstellung “Interflugs 30: Feral Methods” (2020) im nGbK, Berlin, die den Kontext autonomer, kollektiver Bildungs- und Kulturpraktiken untersuchte. Derzeit arbeitet sie als Designerin und bildende Künstlerin mit SAVVY Contemporary zusammen.

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